Ich bin eine Rabenmutter
So! Jetzt ist es endlich raus.
Ich habe lange versucht dem Idealbild einer fürsorglichen Mutter zu entsprechen. So richtig gelungen ist es mir wohl nie, glaube ich.
Babyalarm
Du meine Güte, was fand ich es damals schwierig mich auf diesen fremden Ablauf, den fremden Rhythmus meines Säuglings einzustellen. Mich hat das so sehr an meine Grenzen gebracht und ich war froh um jeden Moment in dem ich meinen Sohn nicht betreuen musste. Wo waren die unendlichen Glücksgefühle, das himmelhochjauchzende? Bei mir jedenfalls nicht! Und ich fühlte mich so schlecht deswegen.
- Ich konnte mein Kind nicht stillen. RABENMUTTER.
- Mir fiel es schwer mich auf dieses fremde Menschlein einzulassen. RABENMUTTER.
- Ich war überfordert mit dem „ständigen“ Abpumpen der Milch, dem anschließenden Prozedere und Abkochen der Utensilien und dem fehlenden Schlaf. Als gute Mutter empfindet frau so etwas nicht! RABENMUTTER.
- Ich gab mein 6-Wochen altes Baby an einem Tag in der Woche an die Großeltern. RABENMUTTER.
Am schlimmsten war der innere Druck. Meine Vorstellung davon wie ich als Mutter zu sein hatte. Was ich als gute Mutter zu tun und zu lassen hatte. Welche Kurse „man“ besuchen MUSSTE um das Kind optimal zu fördern.
Ob uns diese Dingen überhaupt entsprachen und ob die vorgegebenen Termine in unseren Ablauf passten. Hinterfragte ich nicht.
Ich konnte die Ansprüche einfach nicht loslassen. Etwas verändern. Ich wusste einfach nicht WAS. Also rannte ich weiter.
Ein widerwilliges Kleinkind
Erst als mein Sohn – mit knapp 15 Monaten – sich vehement gegen den Besuch bei der Mutter-Kind-Gruppe wehrte, indem er sich im Auto und seinem Kindersitz verkeilte und so ein Aussteigen verhinderte. Wachte ich das erste Mal auf! Ich ließ das aufgewühlte Kind und führ wieder nach Hause.
rgendwie fiel mir damals ein Stein vom Herzen. Endlich „brauchte“ wir dort nicht mehr hin….Endlich hatte ich DIE Ausrede gefunden. Denn ganz ehrlich: so richtig Bock auf dieses Kleinkind-Bespassungs-Programm hatte ich nämlich auch nicht!
Das war die erste Befreiung von den gängigen Konventionen. Ich brach mit dem Mutter-Kind-Pekip-Musikalischefrühförderung-Kleinkindspielkreis-Wahnsinn und wurde aus dem Mütter-Umfeld ziemlich kritisiert. RABENMUTTER!
Ich fragte mich: Wie kann sich etwas gleichzeitig richtig anfühlen und mir trotzdem ein schlechtes Gewissen machen? Die Antwort auf diese Frage erhielt ich erst viele Jahre später.
Zeitsprung
In den folgenden Jahren entschied ich mich immer öfter für Dinge, Unternehmungen, Aktivitäten und Verabredungen, die in unseren Ablauf passten und uns wirklich interessierten.
ABER: die RABENMUTTER Rufe verstummten nicht!
Im Kindergarten:
alles BIO und natürlich selbst gemacht! Hältst du dich nicht dran RABENMUTTER.
Du verpasste eine Bastelstunde: RABENMUTTER.
In der Grundschule:
Mein Sohn läuft alleine in die Schule und zurück…..RABENMUTTER.
Mein Kind ist nachmittags für zwei Stunden alleine zu Hause weil ich arbeiten muss….RABENMUTTER.
Ich sitze NICHT stundenlange neben meinem Sohn um die Hausaufgaben zu betreuen…..RABENMUTTER.
Ich mute meinem Kind zu, dass es ALLEINE für seinen Ranzen, seine Noten und die Schule verantwortlich ist und kümmere mich nur wenig…….RABENMUTTER.
Ich entscheide mich vom Kindsvater zu trennen…. du ahnst es schon….RABENMUTTER!
Ich könnte diese Liste bis in die Unendlichkeit fortsetzten. Und ich denke, dass dir auch sehr ähnliche Beispiele einfallen. Oft kamen die Anschuldigungen sehr subtil und quasi durch die Blume. Wie Giftpfeile trafen sie mich hinterrücks und unerwartet.
Viel öfter waren es aber meine eigenen GEDANKEN die mich als Rabenmutter beschimpften!